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ARCHIV

Presserecht

Presserecht

Anspruch eines Zeitungsverlages auf Zusendung einer anonymisierten Urteilskopie

Mit ihrem am 29. Oktober 2015 veröffentlichtem Beschluss hat die 3. Kammer des Ersten Senats des
Bundesverfassungsgerichts der Verfassungsbeschwerde eines Zeitungverlags gegen eine Entscheidung
des Thüringer Oberverwaltungsgerichts stattgegeben und das Verfahren zur erneuten Entscheidung
zurückverwiesen. Das Oberverwaltungsgericht hatte es im Eilrechtsschutzverfahren abgelehnt, einen
Landgerichtspräsidenten zur Zusendung einer anonymisierten Urteilskopie über ein von hohem
Medieninteresse begleitetes Strafverfahren zu verpflichten. Die Entscheidung des
Oberverwaltungsgerichts verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht auf Pressefreiheit aus
Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Die vom Oberverwaltungsgericht angeführten Gründe lassen eine Gefährdung
des noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahrens oder weiterer Strafverfahren nicht
erkennen.
(Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 14. September 2015 - Az. 1 BvR 857/15;

Pressemitteilung Nr. 78/2015 vom 29. Oktober 2015)

Presserecht

Keine Durchsuchung von Redaktionsräumen oder Wohnungen von Journalisten ohne tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat der konkret betroffenen Presseangehörigen

Die Durchsuchung in Redaktionsräumen oder Wohnungen von Journalisten darf nicht vorrangig dem Zweck dienen, den Verdacht von Straftaten durch Informanten aufzuklären. Erforderlich sind vielmehr zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat der konkret betroffenen Presseangehörigen, die den Beschlagnahmeschutz nach § 97 Abs. 5 Satz 1 Strafprozessordnung entfallen lässt. Anderenfalls könnte der von der Pressefreiheit umfasste Infor-mantenschutz unterlaufen werden.Dies hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts mit zwei am 28. August 2015 veröffentlichten Beschlüssen entschieden und Verfassungsbeschwerden eines Journalisten sowie eines Zeitungsverlags gegen Durchsuchungsmaßnahmen stattgegeben.

(Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 13. Juli 2015 - Az. 1 BvR 1089/13, 1 BvR 1090/13 und 1 BvR 2480/13; Pressemitteilung Nr. 61/2015 vom 28. August 2015)

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OVG Weimar

Kein presserechtlicher Anspruch auf Übersendung einer anonymisierten Kopie eines Strafurteils

Aus der grundsätzlichen Verpflichtung zur Veröffentlichung von gerichtlichen Entscheidungen mag sich im Einzelfall

zwar eine Reduzierung des Ermessens in Richtung auf Übersendung eines Urteils ergeben. Ein Anspruch auf Erteilung einer Auskunft gerade durch Übersendung eines die Presse interessierenden Urteils besteht aber jedenfalls dann nicht, wenn einer der Versagungsgründe des § 4 Abs. 2 TPG (Anm. der Redaktion: Thüringer Pressegesetz) vorliegt, insbesondere wenn dadurch die sachgemäße Durchführung eines Strafverfahrens gefährdet werden könnte (vgl. § 4 Abs. 2 Nr. 1TPG). Unter anderem mit dieser Begründung hat das Thüringer Oberverwaltungsgericht einen Antrag abgelehnt, mit dem eine Verlagsgruppe Auskunft über die schriftlichen Urteilsgründe eines in einem Strafverfahren ergangenen Urteils durch die Übersendung einer anonymisierten Kopie des vollständigen Urteils erlangen wollte.

(Thüringer Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 13. März 2015 Az.: 1 EO 128/15)

 

Mehr dazu hier

 

Der Beschluss des Thüringer Oberverwaltungsgerichts ist im Schrifttum heftig kritisiert worden. Das OVG habe, so Putzke/Zenthöfer in NJW 2015, 1777 ff (1778),  die Reichweite der verfassungsunmittelbaren Pflicht zur Veröffentlichung gerichtlicher Entscheidungen verkannt. Allein aus dieser Pflicht ergebe sich das Recht auf Übersendung, nicht hingegen sei § 4 des Thüringer Pressegesetzes einschlägig.

 

Presserecht

Kein Anspruch auf Aktualitätsvorsprung

Journalisten können nicht allein wegen einer frühzeitigeren Antragstellung verlangen, bevorzugt vor der Konkurrenz informiert zu werden. Mit dieser Feststellung hat das Verwaltungsgericht Berlin das Vorgehen des Bundeskanzleramtes, das die von einem Reporter erbetenen Auskünfte zeitgleich mit ihm auch einem Journalisten einer anderen Zeitschrift erteilt hat, als rechtmäßig bestätigt. Für den Staat bestehe gegenüber den Trägern der Pressefreiheit eine Neutralitätspflicht. Wegen des Verbotes der Einflussnahme auf Inhalt und Gestaltung einzelner Presseerzeugnisse sei es staatlichen Stellen verboten, zwischen einzelnen Trägern der Pressefreiheit bei der Entscheidung über Zeitpunkt, Inhalt und Umfang zu erteilender Informationen zu differenzieren und damit gezielt einen Aktualitätsvorsprung zu gewähren. Es entspreche den Grundsätzen der Effizienz und Effektivität des Verwaltungsverfahrens, wenn über Anträge, die gleichzeitig entscheidungsreif seien, gleichzeitig entschieden werde. Das Risiko paralleler Recherche und des Verlustes der Exklusivität einer Recherche liege in der Sphäre der Presse.
(Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 12. März 2015 - Az. 27 K 183.12)

 

Siehe dazu die Pressemitteilung des Verwasltungsgerichts Berlin Nr. 14/2015 vom 09.04.2015
 

Presserecht

Presserechtlicher Auskunftsanspruch

über den Inhalt der Protokolle nichtöffentlicher Ausschusssitzungen des Bundestages

Einem verfassungsunmittelbaren Anspruch der Presse nach Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 GG auf Auskunft über den Inhalt der Protokolle nichtöffentlicher Ausschusssitzungen des Bundestages stehen die Regelungen des Geschäftsord-nungsrechts des Bundestages entgegen, wonach solche Protokolle erst nach Verkündung des betreffenden Gesetzes bzw. nach Beendigung der Wahlperiode eingesehen werden können.

(Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20. Januar 2015 - Az. OVG 6 S 42.14)

 

Im einzelnen dazu hier mehr

Presserecht:

Zahnarzt muß Berichterstattung über Verdacht unrechtmäßiger Behandlung von Patienten hinnehmen

Der unter anderem für Presserecht zuständige 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe hatte in drei Eilverfahren über die Rechtmäßigkeit einer Berichterstattung über ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren zu entscheiden. In der Presse war – zunächst ohne Hinweise auf die Person des Beschuldigten – berichtet worden, ein Zahnarzt stehe aufgrund einer Vielzahl von Anzeigen im Verdacht, Patienten aus Gewinnstreben gesunde Zähne gezogen und durch Implantate ersetzt zu haben.

In dem streitgegenständlichen Artikel, der in verschiedenen Medien veröffentlicht wurde, wurde der Betroffene zwar ebenfalls nicht namentlich benannt; der Artikel enthielt aber eine Reihe von Einzelheiten, über die der Zahnmediziner durch entsprechende Nachforschungen mit Internetsuchmaschinen identifiziert werden konnte. Die drei Anträge des Klägers auf einstweilige Untersagung einer weiteren Veröffentlichung waren bereits beim Landgericht Karlsruhe erfolglos geblieben. Die gegen diese Urteile gerichteten Berufungen hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe mit Urteilen vom 02.02.2015 zurückgewiesen. Nach Auffassung des Senats wird der angegriffene Artikel den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung für eine Verdachtsberichterstattung aufgestellten Anforderungen gerecht; bei der Abwägung aller Umstände genießen die Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG) und das Informationsinteresse der Öffentlichkeit Vorrang vor dem Schutz der Persönlichkeitsrechte des Klägers.

(Quelle: Pressemitteilung des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 03.02.2015, Urteile vom 02.02.2015 - Az. 6 U -130/14, Az.: 6 U -131/14, Az. 6 U -132/14)

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